Book: Egon Friedell, Kulturgeschichte der Neuzeit

Rating: ★★★★★

Egon Friedell was an Austrian Journalist, Writer, and Philosopher, living around the turn of the 19th century. Like that of many poets, his life path bent and twisted around his unique temperament more than other people’s expectations. He paused his early education, changed religions, inherited a flat in Vienna that allowed him to focus on his writing and art, received a late doctorate in philosophy, and hustled through life with all kinds of artistic passions and projects. “The worst prejudice we take with us from our youth is the idea of the seriousness of life,” he wrote in an essay in 1905 with 27. Thus, it does not surprise that his main work, the Kulturgeschichte, oozes with smart wit, shifting into kind mockery for everyone who took himself too serious. (It is a testimonial to his time that he mostly wrote about men.)

The Kulturgeschichte der Neuzeit is Friedell’s main work, capturing him for the better part of his last 15-or-so years. It is a wild ride through European history from the Black Death in 1348 until World War I, playing homage to many of the geniuses, kings, and lost souls of what he calls the Neuzeit, the pre-modern and early modern age. Not claiming scientific rigour, his grand arcs and joyous linkages might speak truer about a time that still had to invent science than many of his more careful colleagues’ works did. His story is not one of inventions, technologies, and political campaigns, but of humanity, its confusion, disarray, and madness, its art, stories, and beliefs. And it is with this freedom and witty candour that he eloquently paints his pointed pictures.

Wie es um die Kirche stand, haben wir bereits mehrfach angedeutet. Eine wilde Verachtung des Klerus ist die Signatur des Zeitalters. Bei allen erdenklichen Anlässen wird die Roheit und Unwissenheit, die Schwelgerei und Unzucht, die Habsucht und Trägheit der Geistlichen gerügt. Sie spielen, trinken, jagen, denken nur an ihren Bauch, laufen jedem Weiberrock nach: besonders in Italien ist Pfaffe und Cicisbeo fast gleichbedeutend. Zahlreiche öffentliche Äußerungen, stehende Redensarten und Sprichwörter spiegeln die landläufige Auffassung, die man diesem Stande entgegenbrachte. Allgemein war man der Ansicht, ein Bischof könne nicht in den Himmel kommen; eine besonders reichliche und üppige Mahlzeit nannte man ein Prälatenessen; vom Zölibat sagte man, es unterscheide sich von der Ehe dadurch, daß der Laie ein Weib habe, der Geistliche aber zehn; »solange der Bauer Weiber hat, braucht der Pfaffe nicht zu heiraten«; »ich kreuzige mein Fleisch, sagte der Mönch, da legte er Schinken und Wildbret kreuzweis übers Butterbrot«. Konkubinen waren beim größten Teil der Kleriker eine Selbstverständlichkeit: man nannte sie, weil sie das ständige Zubehör der Seelenhirten bildeten, »Seelenkühe«; übrigens erklärte selbst eine theologische Autorität wie der Kanzler Gerson, das Gelübde der Keuschheit bedeute nur den Verzicht auf die Ehe; und wenn man jemandem besondere Ausschweifung vorwerfen wollte, so sagte man: er hurt wie ein Karmeliter. Daß Pfaffen Schenken besuchten, zum Tanz aufspielten, Zoten zum besten gaben, war etwas ganz Gewöhnliches, selbst im Vatikan erheiterte man sich gern an Vorlesungen pornographischer Geschichten; zum Konzil von Konstanz strömten aus allen Weltgegenden Kurtisanen, Gaukler und Kuppler herbei, und Avignon galt, seit die Päpste dort residierten, als Bordellstadt. Ja man kann sogar noch weiter gehen und sagen, daß ein Teil des Klerus von einer atheistischen Strömung erfaßt war, die wiederum im Volke ihre Resonanz fand.

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Friedell is strongest when talking about people. His few sentences are of a short clarity, careful precision, conscious hyperbole, and respectful cynicism that is not reached even by Zweig.

Von Kant hat Goethe gesagt, wenn er ihn lese, so sei ihm zumute, als träte er in ein helles Zimmer. Auf wenige deutsche Schriftsteller könnte dieses Bild mit ebensolcher Berechtigung angewendet werden wie auf Lichtenberg; nur besitzt dieses Zimmer noch allerlei halbdunkle Winkel, Erker und Gänge, die in die absonderlichsten Polterkammern führen.

(Translation, powered by deepl)

It seems he is describing friends he has met personally over many years. And indeed, the sheer vastness of side-notes and side blows proves that this might be true, if only in such a way as we call the celebrities an weirdos in our feeds “friends”. Like the friendships of our messages and timelines, his friendships played in his head for years, while he trawled through the piles of books in his study. Like for friends, he finds appreciation and respect even for the darker characters of the past.

Wir sagten vorhin, die italienische Renaissance habe keinen einzigen Philosophen hervorgebracht. Sie hat aber etwas besessen, was vielleicht ebensoviel wiegt: einen praktischen Beobachter, Schilderer und Beurteiler von höchster Klarheit, Schärfe und Weite des Blickes: Machiavell. Machiavell ist nicht bloß der erfahrungsreichste, einsichtsvollste, geordnetste, konsequenteste und großzügigste Kopf, das Gehirn seines Zeitalters gewesen, sondern geradezu eine Art Nationalheiliger und Schutzpatron der Renaissance, der ihren Lebenswillen, ihre ganze seelische Struktur auf einige kühne und leuchtende Formeln gebracht hat. Er ist Politiker und nichts als Politiker und daher selbstverständlich Immoralist; und alle Vorwürfe, die ihm seit vier Jahrhunderten entgegengeschleudert werden, haben ihre Wurzel in dem Mangel gerade jener Eigenschaft, die er am vollkommensten verkörperte: der Gabe des folgerichtigen Denkens. Wer ihn verdammt oder selbst nur zu widerlegen versucht, vergißt, daß er kein systematischer Philosoph, kein ethischer Reformator, kein Religionslehrer oder dergleichen sein wollte, sondern daß der Zweck und Inhalt seiner geistigen Arbeit ausschließlich darin bestand, die Menschen so zu schildern, wie sie wirklich waren, und aus dieser Realität praktische Schlüsse zu ziehen.

(Translation, powered by deepl)

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